Festigkeit des Dampfschiffs „Säntis“
Der Zustand des Schiffsstahls ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg der geplanten Bergungsmission. Nur wenn der Stahl noch ausreichende Festigkeit und Beständigkeit aufweist, kann das Wrack sicher in einem Stück gehoben werden. Dabei sind drei Aspekte der Festigkeit besonders zu beachten:
1. Längsfestigkeit
Ein Schiff kann physikalisch stark vereinfacht als Biegebalken betrachtet werden, dessen Schnittlasten durch die unterschiedliche Verteilung von Gewicht, Ladung und Auftrieb entstehen. Es wurde lange befürchtet, dass das Dampfschiff „Säntis“ im Jahr 1933 nahezu senkrecht auf den Seeboden aufgeschlagen sein könnte. Dies hätte erhebliche Schäden an der Kielstruktur verursachen können, bis hin zu einem möglichen Bruch der Kielstruktur.
Da diese Bereiche des Wracks unzugänglich im Seegrund liegen, kann erst bei der Bergung geklärt werden, ob solche Schäden tatsächlich vorliegen. Sollte dies der Fall sein, besteht das Risiko, dass das Wrack während der Bergung auseinanderbricht. Es gibt jedoch Hinweise, die auf eine intakte Kielstruktur hindeuten:
- Fehlende Kompressionsschäden: Wäre das Schiff starken Durchbiegungen ausgesetzt gewesen, wären Kompressionsschäden an der oberen Schiffsstruktur sichtbar. Solche Anzeichen wurden bislang nicht festgestellt.
- Gleichmässige Lagerung: Das Schiff liegt gleichmässig mit annähernd gleicher Einsinktiefe am Bug und Heck auf dem Grund. Zudem hat es keinen Sedimentberg vor sich hergeschoben. Dies deutet darauf hin, dass die Wassertiefe das Schiff geschützt hat. Es verhält sich wie ein Blatt, das von einem Baum fällt: Zunächst taucht es steil ab, richtet sich jedoch durch die Anströmung wieder in die Waagerechte aus. Ein ähnliches Phänomen wird auch beim Ziehen von Bodenproben in grosser Tiefe beobachtet.
Während der Bergung ist daher darauf zu achten, dass die Längsfestigkeit des Wracks nicht übermässig belastet wird.

2. Querfestigkeit
Betrachtet man das Schiff in Querschnitten, zeigt sich eine U-förmige Anordnung von Stahlträgern, die für die notwendige Seitenstabilität sorgen. Diese Trägerstruktur definiert die stabilsten Anschlagspunkte für die Bergung.
Eine unzureichende Querfestigkeit könnte dazu führen, dass die Hebeseile den Rumpf beschädigen, indem sie wie ein Messer durch das Wrack schneiden. Daher ist die präzise Platzierung der Gurte unter dem Wrack essenziell. Werden sie in der Nähe einer internen Verstärkung angebracht, kann dies die Stabilität des Wracks erhöhen.
Die verwendeten Hebegurte bestehen aus geflochtenen Stahlseilen mit grosser Auflagefläche, die relativ unempfindlich gegenüber scharfen Kanten sind. Kleinere Schäden am Schanzkleid, die durch die Hebegurte entstehen könnten, sind hingegen akzeptabel und beeinträchtigen die Gesamtfestigkeit des Wracks nicht.
3. Torsionsfestigkeit
Die Torsionsfestigkeit beschreibt die Widerstandsfähigkeit eines Körpers gegenüber Verdrehungen. Da beim Dampfschiff „Säntis“ nahezu das gesamte Holzdeck entfernt wurde, ähnelt das Wrack in seiner Struktur einem offenen Schuhkarton und ist dadurch besonders anfällig für Torsionskräfte.
Obwohl die Stahlträger, die einst das Holzdeck trugen, noch vorhanden sind, verlaufen sie überwiegend quer zur Schiffslängsachse. Die Längsverbände sind hingegen nur minimal ausgeprägt. Dies erhöht die Empfindlichkeit gegenüber Verdrehungen erheblich.
Um Schäden durch Torsionskräfte während der Bergung zu vermeiden, müssen die Kräfte möglichst gleichmässig verteilt und Verdrehungen des Wracks minimiert werden. Dies erfordert eine besonders sorgfältige Planung und Ausführung der Bergung.
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