Begründung für den Bau DS Säntis

Warum wurde das Dampfschiff «Säntis» überhaupt gebaut? Diese Frage beantwortet der Maschineningenieur der NOB Herr Keller von Romanshorn, der 1890 folgenden Antrag an die Direktion der Nordostbahn stellte. Das Originaldokument von Keller wurde im Rahmen dieser Recherchen gefunden und zeigt schon damals einen zukunftsweisenden Gedankengang der Bodenseeschifffahrt:

Nachdem Dampfboot «Bodan» in kürze dem Betrieb wird wieder übergeben werden können, geht es nun darum, sich darüber schlüssig zu werden, was mit den beiden kleinen Dampfbooten, «St. Gallen» und «Schaffhausen» geschehen soll.

1.) Dampfboot, St. Gallen wurde im Jahre 1853 erbaut und zeichnet sich speziell durch kleinen Kohlenverbrauch aus. Der Zustand ist im Allgemeinen ein ordentlicher, indem anlässlich der Hauptreparatur des Kessels im Jahre 1885

das ganze Schiff auf der Werft renoviert wurde. Maschine und Kessel stammen aus dem Jahre 1873. Um das Schiff den derzeitigen Anforderungen an die Bodenseeschifffahrt bezüglich Betriebssicherheit und Bequemlichkeit

des Publikums anzupassen, musste dasselbe dem Dampfboot «Bodan» entsprechend umgebaut werden, d. h. es müssen die elektrische Beleuchtung erstellt, die Steuermaschine, ein Steuerhaus vor den Kessel verlegt, ein Überdach und eine Glaswand zwischen den Radkasten errichtet und zwei Luftabgänge beschafft werden, sowie auch die alten Radkästen Treppenhäuser, Aussenrahmen, Geländer etc. diesen Neuerungen entsprechend abzuändern sind. Eine solche Umbaute dürfte sich inklusive 20% General Kosten auf mindestens Franken 26’000.- belaufen (heute CHF 295’000.-).

2.) Dampfboot, Schaffhausen ist das älteste Schiff der Nordostbahn. Es wurde 1851 erbaut und hat bisher über 500’000 Kilometer zurückgelegt. Die Maschine ist 28 Jahre alt, im Jahre 1862 aufgestellt. Der Kessel wurde 1872 neu beschafft und 1881 in Zürich einer Hauptreparatur unterworfen, er ist mithin 18 Jahre alt und wird in Folge seines Zustandes von den Kesselinspektoren in verschiedener Hinsicht beanstandet. Das Schiff selbst wurde im Jahre 1881/82 zum letzten Mal in der Werft repariert und muss spätestens im nächsten Frühjahr in allen Teilen einer eingehenden Hauptreparatur unterworfen werden, sofern darauf tendiert wird, das Schiff noch weiter beizubehalten.

Hierbei sind Kessel und Maschine ganz neu zu beschaffen, wofür Escher Wyss in Zürich auf eine bezügliche Anfrage hin einen Kostenvoranschlag von SFr. 40’000.- (heute CHF 450’000.-) einreicht. Ausserdem ist das ganze Vordeck zu erneuern, die eiserne Schale zu revidieren die Radkästen höher zu legen, die Geländer auszubessern, das ganze Schiff inwendig und auswendig anzustreichen, die Polsterung der Kajüten zu ersetzen und die viereckigen Kabinenfenster müssen gegen Fenster mit wasserdichten Verschlüssen auszutauschen, welche Arbeiten sich auf SFr. 20’000.- (heute CHF 227’000.-) belaufen dürften. Soll das Schiff bei dieser Gelegenheit auch die auf den anderen Schiffen eingeführten Neuerungen erhalten wie elektrische Beleuchtung, Verlegung der Steuermaschine in ein Steuerhaus noch wäre, Errichten eines Daches und einer Glaswand etc., so sind damit weitere Kosten im Betrage von SFr. 18’000.- (heute CHF 204’000.-) verbunden, so dass die ganze Hauptreparatur auf SFr. 78’000.- (heute CHF 885’000.-) exklusive Generalkosten, der auf SFr. 93’600 (heute CHF 1’062’000.-) inklusive 20 % Generalkosten zu stehen können.

Dampfboot Schaffhausen hat gegenwärtig eine vierzylindrige Dampfmaschine, welche sich bezüglich des Kohlenverbrauches sehr ungünstig verhält. Die Zylinder sind schlecht und nicht mehr betriebssicher. Es würde ein Schiff erstellt, das auf Grund seiner kleinen Dimensionen und der unschönen Form der alten eisernen Schiffsschale niemanden befriedigen würde. Es liegt deshalb die Frage nahe, ob es nicht vorteilhafter sei, auf eine so kostengünstige Umbaute von Dampfboot Schaffhausen zu verzichten und lieber eines neues Schiff zu beschaffen, das den Anforderungen der Zeit in allen Beziehungen entspricht. In Verfolgung dieser Frage haben Verhandlungen mit Escher Wyss v. Cie ergeben, dass diese Firma für ein mittelgrosses Halbsalonschiff inklusive elektrische Beleuchtung einen Preis von ca. SFr. 210’000.- (heute CHF 2’383’000.-) fordern würden, allerdings erst lieferbar in 12 bis 13 Monaten nach Erhalt der Bestellung.

Das produzierte Schiff würde sich durch einen sehr kleinen Kohlenverbrauch äusserst günstig auszeichnen und dabei wegen des kleinen Tiefganges sich für Sommer- und Winterdienst gleich gut eignen.

Bezüglich der Notwendigkeit eines neuen Schiffsbaus verweise ich auf meinen Bericht vom 12. Dezember 1889 mit dem Bemerkung, dass seither den österreich. Schiffsbestand gleichgeblieben ist. Bayern hat das Dampfschiff «Merkur» auf Abbruch verkauft und ein neues Halbsalonschiff, «Rupprecht» im Bau, wofür ein Kredit von 290’000 Mark eröffnet wurde.

Württemberg stellt demnächst ein neues Salonboot in See und will sofort ein weiteres Schiff in Bestellung geben.

Baden hat an seinem Schiffsbestand nichts geändert. Da nun Escher Wyss eine Bauzeit von 12 bis 13 Monaten für ein neues Schiff beanspruchen, wird es nötig sein, ohne Verzug die nächsten Schritte für Beschaffung eines neuen Schiffes einzuleiten, wenn man auf die Umbaute vom Dampfboot «Schaffhausen» im nächsten Frühjahr verzichten will.

Es wird deshalb der Direktion folgendes zu möglich gehender Beschlussfassung vorgelegt:

1) Dampfboot Schaffhausen wird nicht mehr umgebaut, sondern notdürftig unterhalten, bis ein neues Schiff erstellt ist und dann abgebrochen.

2.) Dampfboot St. Gallen wird in dem jetzigen Zustand belassen und als Reserveschiff speziell zum Schleppdienst verwendet, sobald es durch das neue Schiff im Personendienst ersetzt werden kann.

3.) Statt der für die obigen beiden Schiffe in Aussicht genommenen Umbaukosten von SFr. 119’600.- (heute CHF 1’436’000.-) wird ein Kredit von ca. SFr. 210’000.- (heute CHF 2’383’000.-) zur Beschaffung eines neuen mittelgroßen Halbsalonschiffes «Säntis» eröffnet, das möglichst rasch in Bestellung gegeben werden soll.

Der Name «Säntis» wird vorgeschlagen, weil dieser schöne Berg den ganzen Bodensee beherrscht.

Zum Schluss wird erwähnt, dass ein detailliertes Bauprogramm für dieses Schiff in Arbeit steht, weshalb es sehr erwünscht wäre, eine baldige prinzipielle Entscheidung zu erhalten, um das Bauprogramm entsprechend gestalten zu können.

Es wird vorausgesetzt, dass aufgrund dieses Bauprogrammes ein bindendes Angebot bei Escher

Wyss Cie in Zürich und eventuell auch bei Gebrüder Sulzer in Winterthur eingeholt würde.

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